Ehegatten entscheiden sich häufig für ein gemeinschaftliches Testament, in dem meist der überlebende Ehegatte als Alleinerbe im ersten Erbfall bestimmt wird. Dies dient oft dazu, den Nachlass nach dem Tod eines Ehegatten vor Ansprüchen entfernter Verwandter zu schützen. Solche Testamente werden in der Regel handschriftlich von einem Ehegatten verfasst und von beiden unterschrieben. Darüber hinaus werden häufig Schlusserben festgelegt, die nach dem Tod des zweiten Ehegatten erben sollen. Ein gemeinschaftliches Testament entfaltet eine ähnliche Bindungswirkung wie ein notarieller Erbvertrag. Doch was geschieht, wenn ein Ehegatte nachträglich Änderungen wünscht? Ist eine Änderung auch ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten möglich?
Einseitige und wechselbezügliche Verfügungen
Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet zwischen einseitigen und wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament. Einseitige Verfügungen können von jedem Ehegatten problemlos geändert werden. Wechselbezügliche Verfügungen hingegen sind rechtlich miteinander verknüpft: Sie gelten nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass der eine Ehegatte seine Verfügung nur aufgrund der entsprechenden Verfügung des anderen getroffen hat. Solche Verfügungen können nachträglich nur gemeinsam geändert oder widerrufen werden.
Wie erkennt man eine wechselbezügliche Verfügung?
Es ist nicht entscheidend, ob im Testament ausdrücklich steht, dass Verfügungen „wechselbezüglich“ sind. Wichtig ist vielmehr, ob eine gegenseitige Abhängigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestand. Gerichte prüfen dabei, ob eine Verfügung auch ohne die des anderen Ehegatten getroffen worden wäre. „Liegt keine Wechselbezüglichkeit vor, kann jeder Ehegatte ein neues Testament errichten, das das ältere gemeinschaftliche Testament aufhebt. Ist die Wechselbezüglichkeit gegeben, können Änderungen nur gemeinsam erfolgen“ erklärt Rechtsanwalt István Cocron.
Widerruf statt Änderung
Kann ein Ehegatte keine Änderung mehr vornehmen, etwa wegen einer Erkrankung oder mangelnder Zustimmung, bleibt nur die Möglichkeit des Widerrufs. Dieser muss notariell beurkundet werden und wird wirksam, sobald der andere Ehegatte Kenntnis davon erhält. Der Widerruf führt jedoch dazu, dass auch die mit der widerrufenen Verfügung verknüpfte Verfügung des anderen Ehegatten ungültig wird. Dies kann problematisch sein, wenn lediglich die Schlusserben ausgetauscht werden sollen. In solchen Fällen ist eine sorgfältige Abwägung notwendig.
Einzelne Verfügungen im Testament
Wechselbezüglichkeit betrifft nicht das Testament als Ganzes, sondern immer einzelne Verfügungen wie Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen. Jede Verfügung wird gesondert geprüft, ob sie unabhängig geändert werden kann oder ob die Mitwirkung des anderen Ehegatten erforderlich ist. Damit bleibt Spielraum für Anpassungen, wenn bestimmte Teile des Testaments keine Bindungswirkung haben.
Änderungen nach dem Tod eines Ehegatten
Nach dem Tod eines Ehegatten kann eine wechselbezügliche Verfügung nicht mehr widerrufen werden. Der länger lebende Ehegatte kann sich nur noch durch Ausschlagung des Nachlasses des verstorbenen Ehegatten von der Verfügung lösen. Dies muss jedoch innerhalb der gesetzlichen Frist und in vorgeschriebener Form geschehen. Danach ist eine neue Verfügung möglich.
Fazit
„Änderungen eines gemeinschaftlichen Testaments sind unter bestimmten Voraussetzungen auch einseitig möglich. Besonders bei langfristigen Testamentsregelungen ist es entscheidend, die möglichen Folgen frühzeitig zu berücksichtigen“ so Rechtsanwalt Cocron. Eine sorgfältige Planung und die Beratung durch einen erfahrenen Anwalt für Erbrecht können helfen, spätere rechtliche Konflikte oder unerwünschte Bindungen zu vermeiden.