Nach dem Tod des Erblassers stehen Erben oft vor steuerlichen Herausforderungen, insbesondere wenn keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen wurden. Dieser Artikel bietet Handlungsempfehlungen, um erbschaftsteuerliche Nachteile abzumildern und das Nachlassvermögen effizient zu verteilen.
1. Überprüfung formunwirksamer Testamente
Ein Testament ist nur dann rechtswirksam, wenn es die formellen Anforderungen erfüllt, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt sind. Ein formunwirksames Testament ist zivilrechtlich unwirksam, doch erbschaftsteuerlich können solche Verfügungen dennoch anerkannt werden, wenn sie dem Willen des Erblassers entsprechen.
Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung:
•Es muss eine schriftliche oder mündliche Anordnung des Erblassers vorliegen, die seinen Willen klar zum Ausdruck bringt.
•Die beteiligten Erben müssen die Anordnung ausführen, sodass der Wille des Erblassers verwirklicht wird.
Beweismittel:
•Zeugenaussagen, beispielsweise von Pflegepersonal oder Ärzten.
•Schriftliche Aufzeichnungen, wie Briefe oder Notizen.
Wichtig: Um Missbrauch vorzubeugen, verlangt die Rechtsprechung klare Nachweise über den letzten Willen des Erblassers.
2. Optimierung eines Berliner Testaments
Das Berliner Testament, in dem sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Kinder als Schlusserben bestimmen, birgt steuerliche Nachteile. Die Freibeträge der Kinder gehen beim Tod des erstverstorbenen Elternteils verloren.
Gestaltungsmöglichkeiten:
•Ausschlagung des Ehegatten: Der überlebende Ehepartner kann seinen Erbteil ausschlagen, sodass die Kinder direkt erben. Dadurch bleibt der steuerlich relevante Vermögensübergang auf den überlebenden Ehepartner aus, und die Freibeträge der Kinder können genutzt werden.
•Pflichtteilsgeltendmachung: Kinder können ihren Pflichtteil nach dem erstverstorbenen Elternteil geltend machen, ohne vollständig enterbt zu werden. In manchen Fällen kann eine Abfindung vereinbart werden, um Konflikte zu vermeiden.
Wichtig: Es sollte geprüft werden, ob eine Pflichtteilsgeltendmachung langfristig die beste Option ist, insbesondere bei Pflichtteilsstrafklauseln im Testament.
3. Ausschlagung als Gestaltungsmittel
Die Ausschlagung einer Erbschaft wird häufig als Mittel zur Vermeidung überschuldeter Nachlässe betrachtet, kann jedoch auch steuerlich genutzt werden, um Vermögen gezielt zu verteilen.
Steuerliche Vorteile der Ausschlagung:
•Die Erbschaft wird auf andere Personen übertragen, die möglicherweise von höheren Freibeträgen oder günstigeren Steuerklassen profitieren.
•Durch die Aufteilung des Nachlasses auf mehrere Personen können die Freibeträge mehrfach genutzt werden.
Voraussetzung: Die Ausschlagung muss beim Nachlassgericht erklärt werden und ist formgebunden.
4. Umgang mit Vermächtnissen
Ein Vermächtnis gibt einer bestimmten Person Anspruch auf bestimmte Vermögenswerte, ohne sie direkt als Erben einzusetzen. Ein Vermächtnisnehmer kann jedoch entscheiden, das Vermächtnis auszuschlagen.
Vorteile der Ausschlagung:
•Die Erbschaftsteuer auf das Vermächtnis entfällt rückwirkend.
•Bei Ersatzvermächtnisnehmern wird das Vermächtnis an diese Person weitergegeben, wodurch der steuerliche Anfall auf diese übertragen wird.
Besonderheit bei pflichtteilsberechtigten Erben:
Ein Erbe, der gleichzeitig Vermächtnisnehmer ist, hat mehrere Optionen:
•Annahme von Erbteil und Vermächtnis.
•Ausschlagung beider und Geltendmachung des Pflichtteils.
•Ausschlagung nur des Erbteils oder nur des Vermächtnisses.
Die Entscheidung hängt davon ab, welche Option steuerlich und finanziell die günstigste ist.
5. Vorausvermächtnis vs. Teilungsanordnung
Ein Vorausvermächtnis und eine Teilungsanordnung haben unterschiedliche rechtliche und steuerliche Folgen.
Unterschiede:
•Vorausvermächtnis: Ein bestimmter Erbe wird bevorzugt und erhält einen zusätzlichen Vermögensvorteil.
•Teilungsanordnung: Der Erblasser gibt Anweisungen, wie der Nachlass auf die Erben zu verteilen ist, ohne dabei die Erbquoten zu verändern.
Wichtig: Wenn der Erblasser keine klare Anweisung zur Anrechnung auf den Erbteil gibt, wird ein Vorausvermächtnis angenommen. Die steuerliche Beurteilung richtet sich nach dem Wert des Nachlasses und dem Verhältnis der Zuweisungen zu den Erbquoten.
6. Ausschlagung in der Zugewinngemeinschaft
Ehegatten, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, können die Ausschlagungder Erbschaft nutzen, um steuerliche Vorteile zu erzielen oder die Methode der Abwicklung zu beeinflussen. Durch die Ausschlagung kann der überlebende Ehegatte statt des gesetzlichen Erbteils einen kleinen Pflichtteil und den Zugewinnausgleich beanspruchen. Dies erfordert eine sorgfältige Bewertung des Nachlasses sowie der Zugewinnausgleichsansprüche, da diese innerhalb der Ausschlagungsfrist berechnet werden müssen.
Beispiel: Eine Ehefrau kann durch die Ausschlagungihres Erbteils, kombiniert mit dem Anspruch auf Zugewinnausgleich, oft eine günstigere finanzielle Position erreichen als durch die Annahme der Erbschaft.
7. Ausschlagung durch Erben des Erblassers
Wenn der Erblasser selbst ein Erbe ausschlagen könnte, können seine Erben dies ebenfalls tun, falls sie als Ersatzerben eingesetzt sind. Diese Möglichkeit besteht beispielsweise im Kontext des Berliner Testaments. Durch die Ausschlagung können steuerlich vorteilhafte Konstellationen geschaffen werden, da mehrere Erbfälle getrennt bewertet werden und Freibeträge mehrfach genutzt werden können.
Beispiel: Sterben Eltern kurz hintereinander, können die Kinder die Erbschaft des zuerst Verstorbenen ausschlagen und so getrennte Erbfälle auslösen, wodurch sie die Freibeträge beider Elternteile optimal ausnutzen.
8. Ausschlagung gegen Abfindung
Die Ausschlagung einer Erbschaft gegen eine Abfindung bietet ebenfalls Gestaltungsspielraum. In diesem Fall wird die Abfindung wie ein Erwerb vom Erblasser behandelt, was die Nutzung gesetzlicher Freibeträge ermöglicht. Eine Teilabfindung kann helfen, zivilrechtlich nicht zulässige Teilausschlagungen in der Praxis umzusetzen. Die Ausschlagung kann auch den steuerlichen Stichtag verschieben, da die Erbschaftsteuer erst mit der Vereinbarung der Abfindung fällig wird. “Selbst wenn die Ausschlagungeine unentgeltliche Bereicherung des Begünstigten bewirkt, gilt dies steuerlich nicht als Schenkung“ erklärt Rechtsanwalt István Cocron,
9. Ausschlagung eines Vermächtnisses
Vermächtnisnehmer können ein Vermächtnis ausschlagen, was steuerliche Vorteile mit sich bringen kann. Die Ausschlagung bewirkt, dass der Vermächtnisanfall als nicht erfolgt gilt. Dies ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn kein Ersatzvermächtnisnehmer eingesetzt wurde, da das Vermächtnis in diesem Fall vollständig entfällt und die Belastung für den Erben sinkt.
10. Testamentsauslegung: Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung
Die Unterscheidung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung ist entscheidend, da sie unterschiedliche rechtliche und steuerliche Folgen hat. Während ein Vorausvermächtnis einem Erben einen zusätzlichen Vorteil gewährt, ordnet eine Teilungsanordnung lediglich die Verteilung von Nachlassgegenständen an. Maßgeblich ist, ob der Erblasser eine Anrechnung auf den Erbteil vorgesehen hat.
11. Nutzung von Freibeträgen durch Schenkungen
Zur Optimierung der Erbschaftsteuerlast können rechtzeitig geplante Schenkungen genutzt werden. Diese ermöglichen es, Freibeträge bereits zu Lebzeiten des Erblassers auszuschöpfen. Besonders bei Vermögenswerten wie Immobilien oder Unternehmensanteilen können Freibeträge alle zehn Jahre neu genutzt werden.
“Schenkungen sollten frühzeitig und gut geplant erfolgen, um steuerliche Vorteile zu maximieren und den Nachlass optimal aufzuteilen” so Rechtsanwalt Cocron.