Am 24.08.2025 stand vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) das Verfahren C-530/24 auf der Tagesordnung – ein Verfahren, das das gesamte Fundament der deutschen Sportwetten-Branche ins Wanken bringen könnte. ⚖️🎲
Im Mittelpunkt: Waren Online-Sportwetten in den Jahren 2013 bis 2021 ohne deutsche Genehmigung illegal – und sind dadurch abgeschlossene Verträge unwirksam?
- Für Spieler bedeutet das mögliche Rückzahlungen in Milliardenhöhe.
- Für Anbieter wie Tipico, bwin oder Betano geht es um nichts weniger als ihre wirtschaftliche Basis.
Das Verfahren wird bereits als Leitprozess für zahlreiche deutsche Klagen bezeichnet. Schon die heutige Verhandlung machte deutlich, wie stark die Interessen von Spielerschutz und europäischer Dienstleistungsfreiheit kollidieren.
Auftritt Prof. Ruttig
Als erster ergriff Prof. Ruttig das Wort.
Er verwies auf das Verfahren vor dem VG Hessen. „Die Entscheidung des VG Wiesbaden ist nie rechtskräftig geworden und konnte daher keinen Anspruch von Tipico auf Erteilung einer Lizenz entfalten.“ Fraglich sei überhaupt, welche Normen des GlüStV 2012 mit höherrangigem Recht kollidieren sollten. Eine Diskriminierung habe es nicht gegeben – alle Anbieter seien gleich behandelt worden.
Laut Ruttig habe sich Tipico bewusst entschieden, gegen das Glücksspielrecht zu verstoßen. „Das Angebot ohne Lizenz bot keinerlei Spielerschutz. Von 2012 bis 2020 war Tipico Marktführer in Deutschland. Trotz fehlender Lizenz. Der Staat konnte seiner Pflicht zum Schutz der Spieler nicht nachkommen. Ein rechtfreier Raum ohne jedweden Spielerschutz?“
Er führte weiter aus: „Die Ince-Entscheidung ist von terrestrischen Anbietern auf Online-Anbieter übertragbar. Bereits am 16.10.2017 hat das BVerwG die europarechtliche Konformität des deutschen Konzessionsverfahrens festgestellt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat außerdem festgestellt, dass Tipico die Erlaubnis zu Recht versagt wurde.“
Es gebe nach seiner Auffassung kein staatliches Monopol. „Bis 2021 gab es kein staatliches Online-Sportwettenangebot. Am 29.06.2017 stellte das BVerwG lediglich fest, dass das Konzessionsverfahren ‚gescheitert‘ sei. Es wurde jedoch nicht festgestellt, dass das Verfahren europarechtswidrig gewesen sei.“
Zum Spielerschutz ergänzte er: „In der OASIS-Spielersperrdatenbank sind mehr als 300.000 Spieler gesperrt. Auf Malta gibt es kein vergleichbares Spielerschutzsystem.“
Sein Fazit fiel scharf aus: „TIPICO profitiert doppelt. Einerseits meint sie trotz fehlender Lizenz, die Verluste behalten zu dürfen, andererseits konnte sie eine Marktführerschaft zu Lasten derjenigen Anbieter aufbauen, die sich entschieden haben, ohne Lizenz auf dem deutschen Markt tätig zu sein.“
Fazit:
Etwaige europarechtliche Mängel bei der Verfahrensdurchführung sind von dem grundsätzlichen Erlaubnisvorbehalt zu unterscheiden.
Das Sanktionsverbot aus der „Ince-Entscheidung“ passt nicht auf das Verhältnis zwischen Spieler und Anbieter, da nur der Staat „Sanktionen“ verhängen kann und nicht die Zivilgerichte, die lediglich Schadenersatz zusprechen können.
Rechtsanwalt Reichelt/Redeker meint:
Er ist der Meinung, dass die Vorlagefrage im Hinblick auf die INCE-Entscheidung auszulegen ist. Ein Schadenersatzanspruch sei für den Anbieter deutlich schlimmer als eine strafrechtliche Sanktion. Daher ist er praktisch eine „Sanktion“.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof ist wie folgt auszulegen: Tipico benötigt keine Konzession, da ihr bereits von zwei Verwaltungsgerichten attestiert wurde, dass ihr Angebot nicht illegal ist.
Die Frage ist, ob die formal fehlende Konzession allein zu einem Schadenersatzanspruch führen kann. Aufgrund der „INCE-Entscheidung“ durfte Tipico auch ohne Konzession Sportwetten anbieten. TIPICO hat daher nie illegal Sportwetten angeboten. Was ist der Grund für die fehlende Konzession für Tipico? Nach Ansicht von Tipico ist der einzige Grund für die fehlende Lizenz der Verfahrensmangel des Konzessionsverfahrens. TIPICO hätte alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession erfüllt. Da es keinen Rechtsgrund für die Begrenzung auf 20 Konzessionen gab, war diese Begrenzung europarechtswidrig, da willkürlich.
TIPICO durfte daher ohne Lizenz tätig sein und hatte auch Anspruch auf Lizenzerteilung.
Zudem haben mehrere Verwaltungsgerichte bestätigt, dass das Angebot von Tipico nicht illegal war.
Die Vorlagefragen sind durch „INCE“ bereits entschieden. Ein Monopol lag auch für den Internetbereich vor. Deutschland hat sich über das Unionsrecht hinweggesetzt, indem es ein staatliches Monopol für Sportwetten etabliert und aufrechterhalten hat. Dies ist allerdings europarechtswidrig. Das Unionsrecht fordert Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Es muss klar sein, was verboten ist. Ein Einsatzlimit in Höhe von 1.000 Euro ist kein Verbot, da es immer wieder erhöht werden kann. Zudem richtet sich die Regelung nur an Behörden, nicht aber an die Veranstalter. Gemeinwohlbelange sind bereits ausreichend geschützt. In Deutschland gibt es zudem bereits Gesetze, die Minderjährige und „Spieler“ schützen. Es bedarf daher keines weiteren Schutzes durch Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten.
Fazit von Dr. Reichelt/Reder/Tipico
Die Vorlagefragen sind bereits durch INCE entschieden.
Strafen sind mit zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen gleichzusetzen.
Verstoß gegen das Koheränzgebot.
TIPICO hat alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession erfüllt.
Der Verbraucher ist nicht schutzlos, denn es gibt auch außerhalb des GlüStV ausreichend Schutzvorschriften für Spieler.
Vertreter Belgiens:
Glücksspiel darf aus Gründen des Verbraucherschutzes in den Mitgliedstaaten eingeschränkt werden. Das hat der EuGH bereits bestätigt, insbesondere auch, dass Lizenzen aus anderen Mitgliedstaaten nicht automatisch anzuerkennen sind. Der Schutz der sozialen Ordnung steht über dem Recht der Anbieter auf Erteilung von Glücksspiel-Konzessionen. Es ist unstreitig, dass Tipico keine Lizenz hatte und kein Urteil erstritten wurde, das Tipico eine Lizenz erteilt. Daher hätte Tipico kein Glücksspiel anbieten dürfen. Zudem hätte TIPICO wohl auch keine Lizenz erhalten, da die Einzahlungslimits in Höhe von 1.000 Euro eingehalten wurden. Verbraucherschutz ist keine Strafe im rechtlichen Sinne. Die Konzession für Tipico wurde nicht nur aufgrund administrativer Mängel versagt, es lagen auch materielle Versagungsgründe vor (Limitverletzungen etc.). Es gab keinen Grund, nur aufgrund von Verfahrensmängeln bei der Lizenzerteilung ein Angebot ohne Lizenz zu tolerieren.
Hellenische Republik:
Das Lizenzverfahren darf nicht diskriminierend sein. Es gibt keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Lizenzen aus anderen Mitgliedstaaten. Verstöße gegen das Konzessionsverfahren dürfen nicht dazu führen, dass Glücksspiel auch ohne Lizenz angeboten werden darf. Die Dienstleistungsfreiheit ist nicht einschlägig, da die Gemeinwohlinteressen des jeweiligen Mitgliedstaats überwiegen. Zudem ist Online-Glücksspiel für den Verbraucher deutlich gefährlicher als terrestrische Angebote. Die bloße Möglichkeit, eine Konzession zu beantragen, kann nicht ausreichen, da ansonsten kein Anbieter eine Konzession beantragen müsste und sich immer darauf berufen könnte, dass ihm die Konzession ohnehin zu erteilen gewesen wäre.
Fazit:
Solange einem Anbieter von Online-Glücksspiel keine formale Lizenz erteilt wurde, darf er sein Angebot nicht unterbreiten, wenn in dem jeweiligen Mitgliedstaat ein Lizenzsystem besteht. Dies gilt selbst dann, wenn das Lizenzierungssystem gegen europäisches Recht verstößt.
Malta:
TIPICO ist ein maltesischer Anbieter mit einer maltesischen Lizenz. TIPICO hat am Lizenzierungsverfahren im Rahmen der Experimentierklausel teilgenommen. 2012 hat sich TIPICO vergleichbar mit dem INCE-Verfahren am Konzessionserteilungsverfahren beteiligt. 2020 erhielt TIPICO dann auch in Deutschland eine Lizenz. Die deutschen Behörden haben TIPICO mehrfach signalisiert, dass das Angebot auch ohne formale Lizenz nicht rechtswidrig sei. Auch zivilrechtliche Schadenersatzansprüche fallen unter das „Strafverbot“ aus der INCE-Entscheidung.
Da der maltesische Spielerschutz weitergehend ist als von der EU gefordert, genügt eine Lizenz aus Malta auch für die Einhaltung des Spielerschutzes. Eine maltesische Lizenz muss daher ausreichen, um Glücksspiel in anderen EU-Mitgliedstaaten, insbesondere auch in Deutschland, anzubieten. Die in Malta erteilte Lizenz gewährt dem Lizenzinhaber schließlich auch Rechte, die von den Mitgliedstaaten zu respektieren sind.
Portugal:
Das deutsche Lizenzsystem dient dem Spieler- und Verbraucherschutz. TIPICO hat sich zwar am Lizenzerteilungsverfahren/Konzessionsverfahren beteiligt, jedoch keine Lizenz/Konzession erhalten. Die Dienstleistungsfreiheit in der EU ist nicht unbeschränkt, sondern kann durch entsprechende Genehmigungsverfahren in den Mitgliedstaaten eingeschränkt werden. Dabei darf der Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des EuGH auch auf die jeweiligen staatlichen Besonderheiten Bezug nehmen (Verbraucherschutz, Spielerschutz, Schutz öffentlicher Interessen, Schutz der Gesundheit der Bevölkerung). Marktteilnehmer ohne Lizenz dürfen keine wirtschaftlichen Vorteile zu Lasten der Verbraucher und Marktteilnehmer, die sich an die Regeln halten, erhalten.
Europäische Kommission
Der Bundesgerichtshof hat bereits zu erkennen gegeben, dass Sportwettenverträge nichtig sind, wenn keine Lizenz bzw. Konzession vorliegt. Es kommt daher auch nicht auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden an, wonach Tipico eine Lizenz zu erteilen gewesen wäre. Das Urteil des VG Wiesbaden wurde nie rechtskräftig, sodass sich TIPICO nicht darauf berufen kann. Zudem stehe das Lizenzerfordernis nach Auffassung des BGH im Einklang mit den europarechtlichen Regelungen.
Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist aus Gründen des Schutzes des Gemeinwohls, der Sozialordnung und des Verbraucherschutzes gerechtfertigt. Auch die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass die deutschen Regelungen zum GlüStV 2012 hinsichtlich des Angebots von Online-Sportwetten europarechtskonform sind, da sich das Verbot von Online-Sportwetten sowohl an private als auch an staatliche Anbieter richtete. Online-Sportwetten waren daher insgesamt verboten. Es fand keine Bevorzugung der staatlichen Anbieter statt. Das Urteil des VG Wiesbaden kann daher nicht dazu benutzt werden, ohne Lizenz Online-Sportwetten anzubieten. Aus dem Grundsatz der „loyalen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten” ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Verstöße gegen das Unionsrecht zu beheben. Wenn einzelne Bestimmungen zur Erlaubniserteilung gegen Unionsrecht verstoßen, kann das nicht dazu führen, dass die Pflicht zur Lizenzierung insgesamt nicht anzuwenden ist. Gegebenenfalls wäre das Genehmigungsverfahren bei Verstößen gegen Unionsrecht zu wiederholen, wie der EuGH bereits in anderen Verfahren zu Fragen der Lizenzerteilung entschieden hat. Es gibt jedoch keinen Grund, den nicht lizenzierten Anbieter zivilrechtlich gegenüber dem Spieler so zu stellen, als hätte der Antragsteller (TIPICO) eine Lizenz. Zudem müssten auf Seiten von Tipico alle materiellen Voraussetzungen für eine Lizenzerteilung erfüllt gewesen sein. Die rein formale Durchführung eines Konzessionsverfahrens kann die Lizenz nicht ersetzen. (EuGH-Entscheidungen in Sachen Legal Portuguesa/Carmen Media). Bei Tipico ist schon aufgrund möglicher Verstöße gegen Limitbestimmungen, Ausschluss von schnellen Wiederholungen etc. fraglich, ob Tipico eine Lizenz hätte erteilt werden müssen.
Berichterstatter am EuGH:
Es bestehen Fragen zur INCE-Entscheidung und dazu, inwieweit diese Entscheidung für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist. INCE hat entschieden, dass ein Sanktionsverbot gegen unionsrechtliche Lizenzinhaber oder Lizenzbewerber, die an einem Konzessionsverfahren teilgenommen haben, das gegen Unionsrecht verstößt, besteht. (Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz).
Der EuGH hat beim BGH bereits zur Entscheidung des VG Wiesbaden nachgefragt. Es folgen Fragen an die Parteien.
Wie weit reicht das Urteil des VG Wiesbaden? Hat das VG Wiesbaden entschieden, dass das Konzessionsverfahren in Deutschland gegen EU-Recht verstößt? Wurden Schutzvorschriften (Minderjährigenschutz, Einzahlungslimit) thematisiert? Was wurde vom VG Wiesbaden als nicht unionsrechtskonform festgestellt?
Prof. Ruttig (Klägervertreter)
Das VG Wiesbaden hat die Ausschreibungsmodalitäten durch die Konzessionsvergabestellen als nicht europarechtskonform moniert. Das Urteil des VG Wiesbaden ist nie rechtskräftig geworden. Zudem handelt es sich um eine Einzelrichterentscheidung.
Dr. Reichert (Redeker):
Das VG Wiesbaden war eine Kammerentscheidung von fünf Richterinnen und keine Einzelrichterentscheidung. Das Konzessionsvergabeverfahren sei intransparent gewesen. Die Auswahlkriterien für die Anbieter seien nicht nachvollziehbar, insbesondere die Beschränkung auf nur 20 Lizenzen. Da die Länder keinen Grund angeben konnten, kam das VG Wiesbaden zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung auf nur 20 Anbieter nicht mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit zu vereinbaren ist. Mehr hat das VG Wiesbaden nicht entschieden.
Berichterstatter:
Welche Anforderungen mussten die Anbieter erfüllen? Limitbestimmungen, Spielerschutz etc.?
Dr. Reichert:
Die Anforderungen wären erst nach Erteilung der Konzession im Rahmen der Nebenbestimmungen der Konzession Inhalt der Konzession geworden.
Berichterstatter:
Ist Tipico dann davon ausgegangen, dass es diese Anforderungen nicht erfüllen muss?
Dr. Reichert:
Diese Anforderungen (Einzahlungslimit etc.) wären erst nach Erteilung der Konzession durch die Erlaubnisbehörde festgelegt worden. Daher richten sich die Bestimmungen über das Limit nur an die Behörde, nicht aber an die Sportwettenanbieter.
Berichterstatter:
Es gab also keine Beschränkung des Höchsteinsatzes, da sich diese Bestimmung nicht an den Anbieter, sondern lediglich an die Aufsichtsbehörde richtete?
Dr. Reichert:
Genau.
Berichterstatter:
Was ist im Berufungsverfahren passiert? Wurde das Ruhen angeordnet? Wurde in der Sache entschieden?
Dr. Reichert:
Das Berufungsgericht hat das Verfahren ruhen lassen, bis der Konzessionszeitraum abgelaufen war. Das Berufungsgericht konnte wegen des Zeitablaufs keine Konzession mehr erteilen, weshalb das Verfahren ruhte, bis der Gesetzgeber eine neue Regelung über das Konzessionsverfahren erlassen hat.
Berichterstatter:
Wie wurde das Verfahren erledigt?
Dr. Reichert:
Es wurde übereinstimmend für erledigt erklärt.
Berichterstatter:
Ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden?
Dr. Reichelt:
Nein, das Urteil ist wirkungslos.
Berichterstatter:
Es gibt also kein rechtskräftiges Urteil, auf das sich Tipico berufen kann?
Prof. Ruttig:
Das VG Wiesbaden hat die Ausschreibungsmodalitäten und die Beschränkung auf 20 Bewerber kritisiert. Eine Erlaubnis wurde TIPICO nie erteilt. Das VG Wiesbaden hat die Limitbestimmungen nicht außer Kraft gesetzt. Auch Live- und Ereigniswetten waren nicht zulässig und hätten von Tipico nicht angeboten werden dürfen. Das Urteil des VG Wiesbaden ist damit wirkungslos.
Europäische Kommission:
Das VG Wiesbaden hat festgestellt, dass § 10a GlüStV mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist. Der BGH hat dies hingegen nicht bestätigt. Die Beschreibung der deutschen Rechtslage ist gemäß der Rechtsprechung des EuGH dem BGH vorbehalten und nicht den Parteivertretern.
Malta:
TIPICO war im streitgegenständlichen Zeitraum im Besitz einer maltesischen Lizenz, die in Bezug auf den Spielerschutz mit den deutschen Regelungen vergleichbar ist.
Berichterstatter:
Gibt es auch in Malta ein Einzahlungslimit?
Malta Gaming Authority:
Ja, es gibt auch in Malta Einzahlungslimits und Beschränkungen des Einzahlungsrhythmus.
Berichterstatter:
Frage zu INCE: Sind Sie der Ansicht, dass nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden das Glücksspielmonopol des Staates wieder in Kraft getreten ist?
Ruttig:
Im Online-Bereich gab es kein Monopol. Bis 2023 gab es keine staatlichen Online-Sportwettenangebote im Internet. Es gab nur terrestrische Angebote des Staates bei Sportwetten. Der Staat hatte daher kein Online-Sportwetten-Monopol, da es ein absolutes Online-Sportwetten-Angebot gab. Zudem wird bestritten, dass auf Malta eine Limitbeschränkung besteht und diese vonseiten der MGA überwacht wird.
Dr. Reichelt:
Das Monopol galt auch für den Online-Sportwettenbereich. Was Prof. Ruttig diesbezüglich ausgeführt hat, sei schlichtweg falsch.
EuGH-Anwalt:
„Warum macht der Spieler Rückforderungsansprüche geltend, wenn er zuvor jahrelang am Glücksspielangebot von Tipico teilgenommen hat?”
Prof. Ruttig:
Es wurden nicht nur Online-Sportwetten, sondern auch eine Vielzahl weiterer Online-Glücksspiele angeboten, die nicht genehmigungsfähig waren. Dennoch wurde den Spielern gegenüber der Eindruck vermittelt, dass alle Angebote legal waren.“
Generalanwalt:
Wurden die Spieler von den Anbietern hinsichtlich der bestehenden Genehmigung also in die Irre geführt?
Prof. Ruttig:
Ja.
Generalanwalt:
Gibt es Verjährungsfristen für die Ansprüche?
Prof. Ruttig:
Ja, es ist zwischen Delikts- und Bereicherungsrecht zu differenzieren. Die maximale Verjährung beträgt zehn Jahre.
Generalanwalt:
Seit wann ist Tipico im deutschen Markt aktiv und wann wurden die ersten Erlaubnisanträge in Deutschland gestellt?
Dr. Reichelt:
Die ersten Erlaubnisanträge wurden 2006 und 2021 gestellt. TIPICO war jedoch bereits seit 1999 daran interessiert, eine Lizenz in Deutschland zu erhalten. Auf der Webseite wurde stets auf die maltesische Lizenz hingewiesen. TIPICO ist seit mindestens 2013 in Deutschland tätig. 1999 gab es nur terrestrische Angebote. TIPICO ist wohl seit 2005 online in Deutschland aktiv.
EuGH-Anwalt:
Tipico hat sich offenbar entschieden, sein Angebot auch ohne Lizenz in Deutschland zu unterbreiten, da das Unternehmen der Auffassung war, dass die weitere Lizenzanforderung in Deutschland europarechtswidrig war. Hat Tipico die Rechtslage in Deutschland vor Gericht angefochten?
Dr. Reichelt:
Ja, Tipico hat Klagen geführt. Die gerichtlichen Verfahren sind allerdings alle in die „Erledigung“ gelaufen, da sich die Rechtslage während der Verfahren jedes Mal geändert hat.
EuGH-Anwalt:
Nach dem Vortrag von Tipico wurde Tipico vonseiten der deutschen Behörden im Glauben gelassen, dass das Angebot von Tipico rechtmäßig gewesen sei. Hat Tipico dafür Nachweise?
Dr. Reichelt:
Der VGH hätte den Eindruck bei Tipico hinterlassen, eine Erlaubnis sei nicht gesondert erforderlich.
EuGH-Anwalt:
Er macht ein Beispiel:
„Wenn sich ein Mitgliedsstaat entscheidet, den Verkauf von Kokain zu legalisieren. Das dem Kokainverkauf zugrunde liegende Konzessionsverfahren wäre unionsrechtswidrig. Was wäre dann die Folge für Interessenten am Kokainverkauf in den anderen Mitgliedstaaten? Müssen alle anderen Mitgliedstaaten den Kokainverkauf dann auch in ihren Ländern hinnehmen?
Malta:
Dieses Beispiel ist nicht übertragbar. Beim Glücksspiel gibt es zivilrechtliche Schadenersatzansprüche des jeweiligen Spielers. Diese Ansprüche sind problematisch. Wir sagen nicht, dass das EU-Recht grundsätzlich nicht an den jeweiligen ordre public der Mitgliedsstaaten gemessen werden kann. Es kommt auf die zivilrechtlichen Auswirkungen der Beschränkungen an.
EuGH-Anwalt:
Frage an die Hellenische Republik und Portugal:
Ist die zivilrechtliche Folge der Nichtigkeit von Spielverträgen für den Anbieter nicht deutlich schärfer als eine strafrechtliche Sanktion?
Hellenische Republik:
„Strafrechtliche und zivilrechtliche Sanktionen dürfen nicht vermischt werden.” Der wirksame Schutz des Spielers ist der zivilrechtliche Schutz. Die wirtschaftlichen Folgen sind vom Anbieter hinzunehmen.
Portugal:
Die Nichtigkeit des Vertrags ist im GlüStV vorgesehen. Diese ergibt sich aus der fehlenden Erlaubnis. Es muss Konsequenzen haben, wenn ein Anbieter von Online-Sportwetten ohne Erlaubnis tätig wird. Illegales Verhalten muss auch im Bereich des Online-Glücksspiels Konsequenzen haben.
EuGH-Anwalt an Europäische Kommission:
„Wenn Tipico die Voraussetzungen für den Erhalt der Lizenz erfüllt hätte, dann müssen auch die weiteren Spielerschutzvorschriften eingehalten werden.” Soll das für alle Anbieter gelten oder nur für solche, die sich um eine Lizenz beworben haben? Kann dann jedes Unternehmen ohne Lizenz Glücksspiel anbieten, wenn es die Voraussetzungen für die Lizenzerteilung erfüllt?
Europäische Kommission:
„Es kann nur für Teilnehmer gelten, die am Konzessionsverfahren teilgenommen haben. Die Anbieter müssen zudem eine Kooperation mit den Aufsichtsbehörden nachweisen, damit der Spielerschutz gewährleistet ist.
EuGH-Anwalt:
Was wäre die Konsequenz, wenn das Auswahlverfahren gegen EU-Recht verstößt? Wäre dann das Anbieten von Online-Sportwetten trotz gesetzlichem Verbot zulässig?
Europäische Kommission:
„Es können nur die 20 Anbieter Online-Sportwetten anbieten, bei denen sichergestellt ist, dass sie die Vorschriften des Spielerschutzes einhalten.”
EuGH-Anwalt an Malta:
Sollen Anbieter aus Malta aufgrund der Dienstleistungsfreiheit auch ohne Lizenz in anderen Mitgliedstaaten tätig sein können?
Malta:
Ja, denn die maltesische Konzession stützt sich auf Anforderungen, die sich auch am EU-Recht orientieren. Daher gewährt die maltesische Konzession auch das Recht, das Glücksspiel in anderen Mitgliedstaaten anzubieten.
Beisitzender Richter am EuGH:
Was wird mit der Klage geltend gemacht? Verluste oder Gewinne? Hat sich nicht auch der Spieler unrechtmäßig bereichert?
Prof. Ruttig:
Hier sind keine Gewinne entstanden, sondern der Kläger hat lediglich Verluste erlitten.
Beisitzender Richter am EuGH bei TIPICO:
Wann ist Tipico auf den deutschen Markt gekommen? Haben Sie kein präzises Datum? TIPICO hat 2012 einen Antrag auf Lizenzerteilung gestellt, jedoch keine Lizenz erhalten.
Dennoch wurde das Angebot von Online-Sportwetten unterbreitet, obwohl Tipico wusste, dass keine Lizenz vorlag. Verlangt Tipico vom EuGH, dass übersehen wird, dass Tipico ohne Lizenz Online-Sportwetten angeboten hat, obwohl Tipico wusste, dass in Deutschland eine Lizenz erforderlich ist? Ist das nicht auch eine Art „Wette” vonseiten Tipico auf den positiven Ausgang der Klageverfahren zur Erteilung einer Lizenz?
Dr. Reichelt:
Das terrestrische Angebot von Tipico gab es seit 2004 (zuvor hatte Tipico von 1999 gesprochen). Wann das Online-Angebot in Deutschland gestartet ist, kann nicht beantwortet werden. TIPICO wurde im Rahmen diverser Urteile des EuGH bestätigt, dass die Regelungen zur Lizenzerteilung EU-rechtswidrig sind. TIPICO könne doch nicht jahrelang auf die Erteilung einer deutschen Lizenz warten, wenn bereits festgestellt wurde, dass das Vergabeverfahren auf rechtswidrigen Grundlagen beruht. Schließlich sei die Dienstleistungsfreiheit zu beachten.
Schlussworte:
Prof. Ruttig
TIPICO kann nicht das Recht selbst in die Hand nehmen, nur weil Gerichte innerhalb einer bestimmten Zeit zu seinen Gunsten entschieden haben. Der BGH hat dies bereits umfassend dargestellt. Zivilrechtliche Ansprüche sind nicht mit Sanktionen (INCE-Entscheidung) vergleichbar. Wenn es keine zivilrechtlichen Folgen für das Anbieten von Online-Sportwetten ohne Lizenz gibt, würde dies auf dem Rücken der betroffenen Spieler ausgetragen werden, was nicht das Ergebnis sein kann. Vor dem GlüStV 2012 gab es bereits den GlüStV 2008, der ebenfalls Online-Glücksspiel erlaubte. Tipico war bereits vor 2012 mit Online-Glücksspiel auf dem deutschen Markt tätig. Der Staat hat ebenfalls erst dann ein Online-Sportwettenangebot auf dem Markt angeboten, als er über eine entsprechende Lizenz verfügte.
Dr. Reichel
Der Hessische VGH hat bestätigt, dass Tipico erlaubnisfrei tätig sein darf. Es gab auch ein Monopol seitens des Staates, da einem hessischen staatlichen Anbieter eine entsprechende Lizenz erteilt wurde. Der EuGH hat jedoch bereits entschieden, dass ein Monopol europarechtswidrig ist.
RA Würtenberger:
„Auch die Zivilgerichte sind an die INCE-Entscheidung gebunden.” Es kann nicht zwischen strafrechtlicher, verwaltungsrechtlicher oder zivilrechtlicher „Sanktion” unterschieden werden.”
Belgien:
TIPICO hat sich dazu entschieden, ohne Lizenz auf dem deutschen Markt tätig zu sein. Das Unternehmen hat daher bewusst in Kauf genommen, dass die in diesem Zeitraum geschlossenen Verträge wegen der fehlenden Lizenz für nichtig erklärt werden.
Griechenland:
Zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen sind zu trennen. Wenn Tipico meint, durch das deutsche Lizenzsystem einen Schaden erlitten zu haben, kann Tipico den Schaden vor den deutschen Gerichten im Rahmen der Staatshaftung geltend machen.
Malta:
Tipico hat seit 2005 eine maltesische Lizenz. Ob das Angebot seitdem auch in Deutschland unterbreitet wurde, kann nicht beantwortet werden. Eine Irreführung der deutschen Spieler lag nicht vor. Laut maltesischem Glücksspielrecht muss auf der Webseite angegeben werden, wo die Lizenz erteilt wurde. In Malta sind auch entsprechende Spielerschutzvorschriften in Kraft.
Portugal:
Es darf kein rechtliches Vakuum entstehen, wenn das Genehmigungsverfahren zur Erteilung von Lizenzen für Online-Sportwetten teilweise gegen EU-Recht verstößt. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass es sich beim Glücksspiel um einen besonders sensiblen Bereich in Bezug auf den Verbraucherschutz handelt.
Europäische Kommission:
In Deutschland gab es zwar ein staatliches Monopol für den terrestrischen Betrieb von Online-Sportwetten.
Ein Monopol für Online-Sportwetten gab es allerdings nicht. Das Online-Sportwettenangebot des staatlichen Anbieters „Oddset” wurde erst nach Erteilung einer entsprechenden Lizenz erstellt.
Limitbestimmungen: Diese richten sich nicht nur an die Behörden, sondern ausdrücklich auch an die Anbieter. Dies hat der BGH bereits in seinem Beschluss unter Rz. 16 festgestellt. An diese Feststellung ist der EuGH gebunden, da es sich um die Auslegung von nationalem Recht handelt.
TIPICO wurde nicht nur aus Gründen eines Unionsrechtsverstoßes, sondern auch aus anderen Gründen keine Lizenz erteilt.
Der Generalanwalt kündigt seine Schlussanträge für den 11.12.2025 an.
Schluss der mündlichen Verhandlung: 12:45 Uhr.