Spezialfälle beim Erbe
Bestimmte Erbfälle sind so speziell, dass sie oft nicht in Standardwerken behandelt werden. Dazu gehört zum Beispiel, wenn jemand im Ausland verstirbt oder dort Vermögen hinterlässt. Auch kann ein Erbe Teil einer Erbengemeinschaft sein, aber nicht auffindbar oder geschäftsunfähig. In diesen Fällen ist es üblich, eine Testamentsvollstreckung einzusetzen, um eine ordnungsgemäße Verwaltung und Verteilung des Nachlasses zu gewährleisten.
Erben, die nicht selbst handeln können
Es wird erläutert, was passiert, wenn minderjährige oder ungeborene Kinder erben, der Erbe geschäftsunfähig ist oder eine Betreuung eingerichtet wurde. Ungeborene Kinder gelten als erbberechtigt, sobald sie lebend zur Welt kommen. Für minderjährige Erben übernehmen die Eltern oder vom Gericht bestellte Betreuer die Verwaltung des Erbes, bis das Kind volljährig ist. Minderjährige sind nicht voll geschäftsfähig und können daher keine bindenden Verträge abschließen.
Minderjährige Erben
Minderjährige Erben haben ab Geburt alle Erbrechte, sind jedoch bis zum 18. Lebensjahr beschränkt geschäftsfähig. In diesem Zeitraum können Eltern oder Erziehungsberechtigte das Vermögen des Kindes verwalten. Sollte ein Elternteil versterben, übernimmt der andere Elternteil die Verwaltung, es sei denn, dies wird durch eine Verfügung anders geregelt. Eine gerichtlich bestellte Zuwendungspflege kann ebenfalls eingesetzt werden, wenn die Eltern nicht mehr in der Lage sind, die Verwaltung des Vermögens durchzuführen.
Volljährige Erben
Es gibt Fälle, in denen volljährige Erben aufgrund einer dauerhaften geistigen oder körperlichen Einschränkung geschäftsunfähig sind. In solchen Fällen wird eine Betreuung eingerichtet, die den Erben in der Verwaltung des Erbes unterstützt. Die Betreuungsperson kann durch das Gericht festgelegt werden, wenn der Erbe nicht in der Lage ist, sich selbst um seine finanziellen Angelegenheiten zu kümmern.
Dieser Überblick gibt einen Einblick in die rechtlichen und praktischen Herausforderungen bei der Verwaltung von Erbschaften, wenn Erben minderjährig, geschäftsunfähig oder abwesend sind. “Solche Regelungen sind notwendig, um sicherzustellen, dass das Erbe im Sinne des Verstorbenen verwaltet wird und keine rechtlichen Konflikte” erläutert Rechtsanwalt István Cocron, von der Kanzlei Cocron.
Betreuung und Geschäftsfähigkeit
Nicht alle Personen, die unter Betreuung stehen, sind automatisch geschäftsunfähig. Geschäftsfähige Betreute können durchaus selbst Rechtsgeschäfte abschließen, benötigen jedoch die Zustimmung des Betreuers oder des Betreuungsgerichts für bestimmte Handlungen.
In Fällen, in denen Betreuer von einem Betreuungsgericht bestimmte Aufgaben wie die Vermögensverwaltung erhalten, können sie beispielsweise bei der Verwaltung von Immobilien im Nachlass oder der Ausschlagung einer Erbschaft agieren. Allerdings ist dafür stets die Zustimmung des Gerichts erforderlich. Während Eltern als Sorgeberechtigte nicht durch letztwillige Verfügungen ihrer Rechte enthoben werden können, verhält es sich bei Betreuern anders – sie brauchen die Genehmigung des Gerichts, um Erbschaftsangelegenheiten zu regeln.
Beschenkung von Pflegekräften
Oft entstehen zwischen Pflegebedürftigen und ihrem Pflegepersonal enge Beziehungen, besonders wenn die Pflege zu Hause erfolgt. Wird eine Pflegekraft im Testament bedacht oder erhält sie großzügige Schenkungen, kann dies rechtlich problematisch sein. Die Annahme von Geschenken sollte daher sorgfältig geprüft werden, besonders wenn erhebliche Vermögenswerte betroffen sind. Hier sind Summen zwischen 50 und 100 Euro zu besonderen Anlässen üblich und akzeptabel.
Unbekannte Erben
Es kommt vor, dass Erben unbekannt sind oder sich nicht erreichen lassen, obwohl sie im Testament genannt sind. In Erbfällen mit Auslandsbezug kann es schwierig werden, weil nicht alle Länder Wohnsitznachweise führen oder die Suche teuer und langwierig ist. Zieht jemand ins Ausland oder bricht den Kontakt ab, kann das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger bestellen, um den Nachlass zu sichern.
Erbprobleme im Ausland
Eine Immobilie oder ein Bankkonto im Ausland zu erben, bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich, vor allem bei steuerlichen und rechtlichen Aspekten. Innerhalb der EU regelt die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) solche Fälle, doch außerhalb Europas, wie in der Schweiz oder Singapur, können eigene Regeln greifen. “Im Einzugsgebiet der EuErbVO muss ein Erbe oder Testamentsvollstrecker oft durch das europäische Nachlasszeugnis (ENZ) legitimiert werden, während außerhalb der EU länderspezifische Bestimmungen gelten” erklärt Rechtsanwalt István Cocron.
Beispiel: Internationale Erbrechtswahl
Ein in Deutschland lebender Franzose entscheidet sich, für seinen Erbfall das französische Erbrecht zu wählen und verstirbt später in Deutschland. Das deutsche Nachlassgericht stellt daraufhin ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) aus, das sich nach französischem Recht richtet.
Außerhalb der EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) gelten in angloamerikanischen Ländern oft nationale Regeln, bei denen das Erbrecht des Landes, in dem sich die Immobilie befindet, entscheidend ist. Die Gerichte dort wenden ihr eigenes Recht an, was zu einer sogenannten Nachlassspaltung führen kann. Dabei wird der Erbfall nach dem Aufenthaltsland des Verstorbenen behandelt, während Immobilien nach den örtlichen Vorschriften geregelt werden.
Internationale Vereinbarungen
Für Deutschland relevant ist beispielsweise ein altes Abkommen mit der Türkei aus dem Jahr 1929, das festlegt, wie bewegliches Vermögen zu handhaben ist. Dieses Abkommen regelt auch, dass steuerliche Verpflichtungen für Erbschaften in beiden Ländern anfallen können.
Güterrecht im Ausland
Eine weitere wichtige Regelung betrifft das Güterrecht in multinationalen Ehen. Seit 2019 regelt die Europäische Güterrechtsverordnung (EuGüVO) in 18 EU-Ländern, welches Vermögen zu den gemeinsamen Gütern der Ehepartner zählt. Diese Verordnung wirkt sich auf die Verteilung des Vermögens bei einem Erbfall aus, insbesondere bei Paaren, die in verschiedenen Ländern gelebt haben. “Entscheidend ist oft das Recht des Landes, in dem die Partnerschaft bestand, oder der Staat, mit dem die verstorbene Person eine enge Verbindung hatte” so Rechtsanwalt Cocron.
Verstorbene im Ausland
Ein Todesfall im Ausland bringt besondere Herausforderungen mit sich, etwa bei der Ausstellung von Sterbeurkunden und der Übertragung des Nachlasses. Für die Erben ist es wichtig zu wissen, dass das Nachlassgericht am Wohnsitz des Verstorbenen zuständig ist und in solchen Fällen das lokale Erbrecht anwendet, sofern keine andere Vereinbarung vorliegt.
Doppelte Besteuerung vermeiden
Wenn ein Erbe im Ausland lebt und der Erblasser aus einem anderen Land stammt, kann es zu doppelter Erbschaftssteuer kommen. Diese Doppelbesteuerung tritt auf, wenn sowohl das Land des Verstorbenen als auch das Land des Erben Steuern erheben und kein Abkommen zur Vermeidung dieser Doppelbesteuerung existiert.