Das deutsche Erbrecht, wie wir es heute kennen, beruht auf jahrtausendealten Traditionen und Rechtsvorstellungen, die bis in die Antike zurückreichen. Seine Wurzeln liegen sowohl im germanischen als auch im römischen Recht.
1. Ursprünge im römischen und germanischen Recht
Bereits um 450 v. Chr. wurden erbrechtliche Normen in den römischen Zwölftafelgesetzen kodifiziert, wobei die testamentarische Regelung der Erbfolge als vorrangig galt. Nur wenn kein gültiges Testament vorlag, trat die gesetzliche Erbfolge ein. Gleichzeitig genossen römische Soldaten besondere Erleichterungen bei der Testamentserrichtung, um ihren letzten Willen auch unter schwierigen Bedingungen rechtswirksam zu machen.
Bei den germanischen Stämmen hingegen, so beschreibt es Tacitus um 120 n. Chr., war die Erbfolge streng gesetzlich geregelt. Testamente waren unbekannt und die Erbfolge konzentrierte sich auf die männlichen Nachkommen. Waren diese nicht vorhanden, gingen die Erbansprüche auf die Brüder oder Onkel des Verstorbenen über. Regionale Unterschiede, etwa bei den Sachsen, führten jedoch zu abweichenden Regelungen, wie die „Lex Saxonum“ aus dem 9. Frauen waren im germanischen Erbrecht vielfach von der Erbfolge ausgeschlossen, was sich erst im Laufe der Geschichte änderte.
2. mittelalterliche Entwicklungen: Sachsenspiegel und Schwabenspiegel
Im Mittelalter wurden die alten Überlieferungen systematisiert und in bedeutenden Rechtsbüchern wie dem Sachsenspiegel (ca. 1220/30) zusammengefasst. Dieses Werk des Rechtsgelehrten Eike von Repgow war eine umfassende Sammlung des sächsischen Rechts, das auf germanischen und römischen Traditionen beruhte. Der Sachsenspiegel beeinflusste nicht nur das Recht in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Teilen Europas.
3. Grundsätze, die bis heute Bestand haben
Ein zentraler Grundsatz des deutschen Erbrechts ist die in § 1922 BGB verankerte Gesamtrechtsnachfolge(Universalsukzession). Danach geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf die Erben über. Diese Regelung ist nicht neu, sondern findet sich bereits in den römischen Zwölftafelgesetzen und später im Sachsenspiegel.
Ebenso hat das heutige Recht in § 1923 BGB den Begriff des Erbrechts des ungeborenen Kindes („nasciturus“) übernommen. Bereits im römischen Recht waren ungeborene Kinder erbberechtigt, sofern sie lebend geboren wurden. „Im Sachsenspiegel wurde dieser Grundsatz dahingehend konkretisiert, dass schwangere Witwen innerhalb von 30 Tagen nach dem Tod ihres Mannes die Erbansprüche ihres ungeborenen Kindes geltend machen mussten“ erläutert Rechtsanwalt István Cocron.
4. Wandel im testamentsrecht
Im Gegensatz zu den frühen germanischen Traditionen, in denen Testamente kaum bekannt waren, setzte sich das römische Erbrecht durch, in dem das Testament als bevorzugte Form der Erbfolgeregelung galt. Das Bürgerliche Gesetzbuch orientierte sich stark am römischen Vorbild und schuf klare Regeln für die Form und Gültigkeit von Testamenten. Daneben entwickelten sich im Mittelalter Erbverträge, um Konflikte zwischen gesetzlichen und testamentarischen Erben zu lösen.
5. gesellschaftlicher und rechtlicher Wandel
Mit dem Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 wurde das Erbrecht modernisiert und vereinheitlicht. Seither hat sich an den Grundprinzipien wenig geändert. Wichtige Neuerungen, wie die erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder, erfolgten erst im Laufe des 20. Dies zeigt, wie stark das deutsche Erbrecht von historischen Entwicklungen geprägt ist, aber auch auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert.
Fazit
Das deutsche Erbrecht ist nicht nur 125 Jahre alt wie das Bürgerliche Gesetzbuch, sondern seine Wurzeln reichen weit in die Vergangenheit zurück. Viele der heute geltenden Grundsätze wurden bereits in der Antike oder im Mittelalter entwickelt. „Die engen historischen Verflechtungen zeigen, dass das heutige Erbrecht auf einer langen und reichen Tradition beruht, die über Jahrhunderte Bestand hatte und immer wieder an neue gesellschaftliche Herausforderungen angepasst wurde“ so Rechtsanwalt Cocron.